Die Erscheinung des Heiligen Franziskus in Arles, Fra Angelico
Gemäldegalerie
Berlin, Deutschland
www.smb.museum

Fra Angelico, Die Erscheinung des Heiligen Franziskus in Arles, um 1429
Tempera auf Pappelholz,, 27.5 x 31.5 cm
Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie, cat. no. 62
© Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie
Christoph Schmidt Public Domain Mark 1.0
Text : Neville Rowley, Kurator für frühe italienische Kunst, Gemäldegalerie, Staatliche Museen zu Berlin.
N.B.: Dieser Text stammt aus dem Katalog der Ausstellung „Donatello, Erfinder der Renaissance“, die 2022 von den Berliner Museen präsentiert wurde.
Diese Szene gehörte zum unteren Teil (der Predella) eines Altar bilds, das Fra Angelico in den späten 1420er Jahren für die Compagnia di San Francesco malte, die sich in der Basilika Santa Croce in Florenz versammelte. Das Hauptregister des Altars bestand aus einem gotischen Triptychon, das die Maria mit Kind, umgeben von vier Heiligen, darstellt. Es wird heute im Museo di San Marco in Florenz aufbewahrt (die seitlichen Tafeln, die stark beschädigt sind, stammen aus der Kartause von Galuzzo, daher der Name Certosa-Polyptychon, der dem Werk oft gegeben wird). In den fünf Szenen der Predella ist das Leben des hl. Franziskus, des Patronatsheiligen der Minoriten von Santa Croce, dargestellt. Drei davon befinden sich heute in der Gemäldegalerie in Berlin, darunter die Begegnung zwischen dem heiligen Franziskus und dem heiligen Dominikus, eine Szene, die wahrscheinlich nie stattgefunden hat. Fra Angelico, der selbst ein Dominikaner-Observant war, muss sie jedoch als notwendige Szene für einen franziskanischen Auftrag erkannt haben.
Die Erscheinung des heiligen Franziskus bei der Kapitelsitzung in Arles erzählt, wie während einer Versammlung des Franziskanerordens unter dem Vorsitz des hl. Antonius von Padua in der provenzalischen Stadt »ein in der Tugend erprobter Bruder namens Monald zur Tür des Kapitelsaals schaute, [und] […] mit seinen lebendigen Augen [sah], wie Franziskus in der Luft schwebend mit in Kreuzesform ausgebreiteten Händen die Brüder segnete« (Ausst.-Kat. Berlin 2005, S. 224). Nach dem Vorbild Giottos, der die Szene ein Jahrhundert zuvor in der Bardi-Kapelle derselben florentinischen Kirche Santa Croce gemalt hatte, hielt sich Fra Angelico nicht streng an die Überlieferung der Heiligen-legende. Gleich vier Mönche erblicken Franziskus, der in der Luft schwebt, getragen von einer Wolke, auf der die Worte Christi PAX VOBIS (Friede sei mit euch) geschrieben stehen. Einer der Brüder im Vordergrund auf der rechten Seite ist auf seiner Bank eingeschlafen, während ein anderer den Saal verlässt (gelegentlich wird diese Figur als der hl. Antonius identifiziert).
Dieses Detail unterstreicht den räumlichen Eindruck der Tafel, als ob die Szene über den gemalten Rahmen hinausginge. Obwohl solche Ideen bereits in Giottos Schöpfungen vorhanden waren, war es Donatello, der sie in seinen Reliefs der 1420er Jahre weiterentwickelte, insbesondere in seiner Geißelung, die sich früher in Berlin befand und heute in Moskau aufbewahrt wird und ebenfalls einen Raum in der Tiefe hinter den Figuren eröffnet. Allgemein wird die Perspektivkon struktion, wie sie von Donatello in den 1420er Jahren verstanden wurde, hier von Fra Angelico mit großer Effektivität adaptiert: Der Maler ist in erster Linie daran interessiert, einen auf die Figuren abgestimmten Innenraum zu schaffen, um die heilige Geschichte zu schildern. Die geometrische Konstruktion ist noch nicht ganz exakt, was schon bei der Nische von Donatellos Pazzi-Madonna der Fall war. Der Fluchtpunkt befindet sich ungefähr an der Stelle, an der der Heilige auf wundersame Weise erschienen ist. Die Sensibilität der Lichtführung hingegen ist voll und ganz Fra Angelicos Verdienst und verleiht der Szene eine surreale Dimension. In der Tat kann die Tafel als eines der ersten Nachtstücke in der Geschichte der frühneuzeitlichen Malerei gelten.
Bibliographie
Berlin 2005
Geschichten auf Gold. Bilderzählung in der frühen italienischen Malerei, exh. cat. ed. by Stefan Weppelmann (Berlin, Gemäldegalerie), Cologne/ Berlin 2005.
Henderson, Joannides 1991
John Henderson and Paul Joannides, ‘A Franciscan Triptych by Fra Angelico’, in: Arte Cristiana, n.s., 79, 1991, pp. 3–6.
